Fake Presseausweis: Warum „unechte“ Presseausweise ein Problem für die Pressefreiheit sind

In Deutschland ist die Pressefreiheit ein zentraler Pfeiler der Demokratie. Journalistinnen und Journalisten benötigen für ihre Arbeit oftmals einen Presseausweis, der ihnen Zugang zu wichtigen Informationen oder Veranstaltungen verschafft. Offizielle Presseausweise werden in der Regel von anerkannten Berufsverbänden oder Gewerkschaften ausgegeben und sind ein Beleg für die Seriosität und Glaubwürdigkeit des bzw. der Inhabenden. Doch in den letzten Jahren ist ein Phänomen immer stärker in den Fokus gerückt, das die Medienbranche ins Zwielicht rückt: der Fake Presseausweis. Unter diesem Begriff fallen nicht nur klassische Fälschungen, sondern vermehrt auch unechte Presseausweise, die von zweifelhaften Vereinen oder Briefkastenfirmen gegen eine Gebühr ausgegeben werden. Dieser Artikel beleuchtet, was sich genau dahinter verbirgt, welche Risiken diese vermeintlichen „Presseausweise“ bergen und warum ihre Verbreitung eine Gefahr für die Pressefreiheit darstellt.


1. Was bedeutet eigentlich „Fake Presseausweis“?

Wenn von einem Fake Presseausweis die Rede ist, denken viele zunächst an handfeste Fälschungen, bei denen das Layout und die Sicherheitsmerkmale echter Ausweise kopiert werden. Tatsächlich existieren jedoch mehrere Formen sogenannter „unechter“ Presseausweise:

  1. Klassische Fälschungen:
    Ein bereits existierender, anerkannter Presseausweis wird manipuliert oder komplett imitiert. Diese Dokumente versuchen, das Erscheinungsbild etablierter Verbände, wie z. B. DJV, ver.di oder andere Organisationen, täuschend echt nachzuahmen.
  2. Schein- bzw. Fantasie-Ausweise:
    Hier werden „Presseausweise“ von Organisationen herausgegeben, die zwar offiziell klingen, aber in der Medienlandschaft keine anerkannte Rolle spielen. Nutzerinnen und Nutzer dieser Pseudo-Ausweise haben oftmals kaum oder gar keine journalistische Tätigkeit vorzuweisen. Für eine gewisse Gebühr erhält man ein Dokument, das auf den ersten Blick echt wirkt, aber keine echte Legitimation darstellt.
  3. Selbstgedruckte Ausweise:
    Privatpersonen oder Gruppierungen entwerfen Ausweise mit eigenen Logos und geben sich als „Reporter“ oder „Pressevertreter“ aus, ohne jeglichen Rückhalt einer echten Institution oder Redaktion.

Gerade die Fälle zwei und drei treten laut Recherchen immer häufiger auf – und zwar in sehr unterschiedlichen Kreisen. So berichtete etwa die Zeit in einem Artikel über rechte Gruppierungen, die mit Fake Presseausweisen versuchten, Polizeisperren zu umgehen.
(Quelle: Zeit.de)


2. Warum sind Fake Presseausweise so attraktiv?

2.1 Geringe Zugangshürden

Einer der Hauptgründe für die Verbreitung von Fake Presseausweisen: Sie sind relativ leicht zu erwerben. Diverse Websites werben in verharmlosender Weise damit, „offizielle Presseausweise“ für kleines Geld zu verkaufen – meist ohne tiefgreifende Prüfung journalistischer Aktivitäten. Dadurch werden Menschen angezogen, die schnell und unkompliziert an Privilegien und Rabatte gelangen wollen, welche sonst echten Medienschaffenden vorbehalten sind.

2.2 Privilegien für Journalistinnen und Journalisten

Einer der wichtigsten Anreize für die Beschaffung eines Fake Presseausweises liegt in den Vorteilen, die echte Pressevertreter häufig genießen:

  • Zugang zu gesperrten Bereichen (z. B. während Demonstrationen oder Großveranstaltungen)
  • Kostenlose oder vergünstigte Eintritte in Museen, Theater, Konzerte oder Sportevents
  • Erleichterte Kommunikation mit Pressestellen und Behörden

Manche Veranstaltungen haben spezielle Pressebereiche, in denen sich Reporterinnen und Reporter aufhalten und arbeiten können. Ein unechter Presseausweis kann hier als bequemer „Türöffner“ missbraucht werden.

2.3 Umgehen von Polizeisperren und Kontrollen

Wie die Vice recherchierte, setzen extremistische Gruppierungen Fake Presseausweise auch gezielt ein, um Polizeikontrollen zu umgehen oder ihre wahren Absichten zu verschleiern. Dadurch können Personen in sensiblen oder sicherheitsrelevanten Bereichen agieren, ohne tatsächlich journalistisch tätig zu sein.
(Quelle: Vice.com)


3. Was unterscheidet echte von unechten Presseausweisen?

In Deutschland gibt es keine staatlich ausgestellten Presseausweise. Stattdessen haben sich anerkannte Verbände, wie beispielsweise der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), ver.di (Fachbereich Medien), FREELENS (für Fotojournalistinnen und -journalisten) oder der Deutsche Presse Verband (DPV), darauf verständigt, strikte Kriterien für die Ausstellung zu entwickeln und deren Sicherheit stetig zu verbessern. Wer hier einen Presseausweis beantragt, muss zumeist nachweisen:

  • Regelmäßige journalistische Tätigkeit
  • Veröffentlichte Beiträge in anerkannten Medien
  • Seriöse Einkommensquellen aus journalistischen Aufträgen (zumindest zum Teil)

Unechte Presseausweise hingegen:

  • Verzichten oft auf gründliche Prüfungen der journalistischen Tätigkeit,
  • Kosten einmalige Pauschalgebühren, ohne klare Mitgliedschaft oder redaktionelle Zuordnung,
  • Nutzen Logos oder Namen, die in der Branche unbekannt sind oder nur oberflächlich existieren.

Ein klares Erkennungsmerkmal kann zudem sein, dass sich auf dem Dokument keine eindeutig nachvollziehbare Jahresmarke befindet oder dass wichtige Sicherheitsmerkmale (etwa Hologramme, UV-Druck, Mitgliedsnummer) fehlen.


4. Konkrete Gefahren durch Fake Presseausweise

4.1 Ansehensverlust für den Journalismus

Die große Gefahr von Fake Presseausweisen liegt in der massiven Beschädigung des Ansehens, das echte Journalistinnen und Journalisten über Jahre aufgebaut haben. Wenn Menschen mit einem unechten Ausweis in Situationen vordringen, in denen sie sich unprofessionell verhalten, fällt dies in der öffentlichen Wahrnehmung auf die gesamte Branche zurück.

4.2 Sicherheitliche Risiken und Extremismus

Ein gravierendes Beispiel ist der Missbrauch durch rechtsextreme oder andere extremistische Gruppierungen, die sich auf Demonstrationen als Pressevertreter tarnen, um Polizeisperren zu durchbrechen oder um Andersdenkende zu observieren. Unechte Presseausweise können in solchen Fällen direkte Auswirkungen auf öffentliche Sicherheit und Ordnung haben.

4.3 Kommerzielle Betrugsfälle

Auch abseits extremistischer Szenarien ist der reine Betrug am Veranstalter oder Museum kein Kavaliersdelikt. Falsche Vergünstigungen oder ergaunerte Freikarten summieren sich. Veranstalter sehen sich teils gezwungen, strengere Kontrollen einzuführen, was wiederum den Arbeitsalltag echter Medienschaffender erschweren kann.


5. Beispiele aus der Praxis

  1. Fake-Ausweise bei Corona-Demos
    Während der Corona-Krise berichteten verschiedene Medien (u. a. Übermedien) von einer steigenden Nachfrage nach vermeintlichen Presseausweisen, da Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Demonstrationen sich so Zugang zu gesperrten Bereichen verschafften.
    (Quelle: Uebermedien.de)
  2. Rechte Gruppen in Ingolstadt
    Die Zeit berichtete über Fälle in Ingolstadt, bei denen Neonazis Fake Presseausweise nutzten, um Rabatte zu erhalten und an exklusiven Veranstaltungen teilzunehmen. Sie gaben sich als Pressevertreter aus, ohne jemals journalistisch gearbeitet zu haben.
    (Quelle: Zeit.de)
  3. Recherchen von Vice
    In einem umfangreichen Artikel deckte Vice auf, dass rechtsextreme Gruppierungen gezielt Fake-Ausweise einsetzen, um verdeckt an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen und Polizeisperren umfahren zu können.
    (Quelle: Vice.com)

6. Wie wirken sich Fake Presseausweise auf die Pressefreiheit aus?

  • Vertrauensverlust: Behörden, Veranstalter und Unternehmen könnten im Laufe der Zeit restriktiver werden, weil sie Angst haben, an „falsche“ Pressevertreter zu geraten. Das schmälert die Arbeitsmöglichkeiten für echte Medienschaffende.
  • Zunahme von Misstrauen: Journalistinnen und Journalisten sehen sich ohnehin häufig mit Vorwürfen von „Fake News“ konfrontiert. Unechte Ausweise verschärfen diesen Vertrauenskonflikt zusätzlich.
  • Potenziell repressivere Maßnahmen: Wenn Unechte mit Presseausweisen aufgegriffen werden, reagieren Sicherheitsbehörden womöglich mit härteren Akkreditierungsprozessen, erschweren Reporterinnen und Reportern die Recherche oder ziehen strengere Kontrollen durch.

7. Wie kann man Fake Presseausweise erkennen und dagegen vorgehen?

7.1 Prüfen von Verbänden und Herausgebern

Veranstalter und Behörden sollten sich mit den anerkannten Journalist*innenverbänden vertraut machen und wissen, wie ein gültiger Presseausweis dieser Verbände aussieht. So lassen sich Fantasieausweise oder dubiose Logos schneller erkennen.

Seriöse Verbände in Deutschland sind beispielsweise:

  • Deutscher Journalisten-Verband (DJV)
  • ver.di Fachbereich Medien
  • FREELENS (für Fotojournalist*innen)
  • Deutsche Presse Verband (DPV)
  • DVPJ (Deutscher Verband der Pressejournalisten)

Eine schnelle Online-Recherche nach dem angegebenen Aussteller und eventuell angeführten Kontaktdaten kann schon viel Klarheit verschaffen.

7.2 Detaillierte Akkreditierungsprozesse

  • Vorab-Registrierung: Viele größere Veranstaltungen fordern vorab detaillierte Informationen (Nachweis von Arbeitsproben, Redaktionsbestätigungen).
  • Identitätskontrolle: Am Veranstaltungsort kann zusätzlich eine Personalausweiskontrolle erfolgen, um zu prüfen, ob Name und Bild mit dem Presseausweis übereinstimmen.
  • Kontakte nutzen: Bei Unsicherheit kann man direkt bei der angegebenen Redaktion nachfragen, ob die Person wirklich für sie arbeitet.

7.3 Öffentlichkeit sensibilisieren

Gerade Veranstalter, Museumsbetreiber, Messegesellschaften und Sicherheitsbehörden müssen immer wieder auf die Problematik hingewiesen werden. Nur wenn die breite Öffentlichkeit und Institutionen Bescheid wissen, kann das Problem eingedämmt werden.


8. Rechtliche Aspekte

Rechtlich gesehen kann die Nutzung eines Fake Presseausweises den Tatbestand der Täuschung erfüllen. Neben möglichen zivilrechtlichen Konsequenzen (etwa Schadensersatzforderungen durch betrogene Veranstalter) kommen auch strafrechtliche Delikte in Frage, wenn Dokumente gezielt gefälscht oder Logos missbraucht werden. Ob es sich dabei um Urkundenfälschung, Betrug oder Amtsanmaßung handelt, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab.

Allerdings gilt: Ein Presseausweis ist kein amtliches Dokument, entsprechend kann ein Fake-Ausweis nicht in der gleichen Weise wie ein gefälschter Personalausweis verfolgt werden. Dennoch gibt es ausreichend Rechtsvorschriften im Straf- und Ordnungsrecht, um gegen solche Machenschaften vorzugehen, wenn ein klarer Täuschungs- und Missbrauchsfall vorliegt.


9. Was echte Journalist*innen tun können

  1. Verantwortungsbewusste Mitgliedschaft: Wer einen offiziellen Presseausweis besitzt, sollte genau wissen, bei welchem Verband er oder sie Mitglied ist und welche Qualitätskriterien dort gelten.
  2. Aufklärung betreiben: Journalistinnen und Journalisten haben ein Interesse daran, dass sich Veranstalter und Behörden nicht abschotten. Sie sollten daher aktiv über die Problematik von Fake Presseausweisen informieren.
  3. Profes­si­o­nelles Auftreten: Einem organisierten Vorgehen mit Ausweis, Redaktionsauftrag und Kontakten zur eigenen Redaktion kann kaum misstraut werden. So unterscheidet man sich deutlich von denen, die nur irgendein Plastik-Kärtchen vorzeigen.

10. Ausblick: Digitalisierung als Chance?

Das Phänomen Fake Presseausweis dürfte weiterhin präsent bleiben, solange es lukrativ ist, Vergünstigungen oder Zugänge zu erschleichen. Möglicherweise könnte die Digitalisierung für mehr Sicherheit sorgen, beispielsweise durch:

  • QR-Codes auf Ausweisen, die direkt mit den Datenbanken echter Verbände verknüpft sind.
  • Blockchain-Technologie für fälschungssichere digitale Zertifikate.
  • Zentrale Registrierungsverfahren (freilich unter Berücksichtigung des Datenschutzes), mit denen Veranstalter die Zugehörigkeit schnell prüfen können.

Dennoch braucht es parallel dazu eine klare Sensibilisierung aller Beteiligten. Denn auch das technisch beste System kann ausgehebelt werden, wenn ein Veranstalter weder Zeit noch Motivation hat, sich mit der Prüfung zu beschäftigen.


11. Fazit: Unechte Presseausweise – Ein ernstzunehmendes Problem

Ein Fake Presseausweis ist keineswegs nur ein harmloser „Trick“, um gratis zu Konzerten zu kommen. Vielmehr kann der Missbrauch dieser Dokumente schwere Folgen haben – von einfachen Betrugsdelikten bis hin zu sicherheitsrelevanten Vorfällen. Vor allem rechtsextreme Gruppen oder andere extremistische Kreise nutzen unechte Presseausweise systematisch, um polizeiliche Absperrungen zu umgehen oder politische Veranstaltungen auszuspionieren.

Die Konsequenzen betreffen nicht nur die Veranstalter und Behörden, sondern gefährden auch den Ruf ernsthafter Journalistinnen und Journalisten. Sie müssen fürchten, dass durch die unechten Kolleginnen und Kollegen das Vertrauen in ihre Arbeit schwindet und sich Hürden bei der Akkreditierung erhöhen. Nur eine enge Zusammenarbeit zwischen den anerkannten Journalist*innenverbänden, Veranstaltern, Behörden und der Öffentlichkeit kann dazu beitragen, dieses Problem einzudämmen.

Weiterführende Links

Letzten Endes ist der Journalismus auf ein gewisses Maß an Vertrauen angewiesen. Ein Presseausweis ist ein Symbol dieses Vertrauens. Wenn dieses Symbol durch Massen von Fake-Ausweisen ausgehöhlt wird, leidet darunter nicht nur die Branche – letztlich ist es auch ein Angriff auf die Transparenz und Glaubwürdigkeit, die für eine freie Gesellschaft essenziell sind.